Holzfällerhemd
Er stand im Wald
mit Tränen in den Augen, einem Finger am Abzug und dem Lauf der
Pistole in seinem Mund. Die Tränen folgten den Spuren seiner Lachfalten
und machten einen großen Bogen um sein Kinn. Immer wieder sammelte
sich ein Tropfen in seinem 3-Tage-Bart und wuchs bis zu jenem Punkt,
an dem er die kritische Masse erreichte und gen Boden fiel. Zwischen
seinem Kinn und dem Boden war jedoch noch sein Bauch. Ein mächtiges
Denkmal für alkoholische Getränke aller Art und sowohl grobe
als auch feine Bratwürste. Die Tränen formten auf der Oberseite
des Bauchs eine Pfütze, während sich sein Holzfällerhemd
langsam mit ihnen vollsaugte. Er war natürlich kein Holzfäller.
Holzfäller trugen keine Holzfällerhemden. Schon gar nicht,
wenn sie vollgeheult waren. Sie standen auch nicht einfach so im Wald
herum. Schon gar nicht mit dem Lauf einer Pistole im Mund. Dessen metallischer
Geschmack machte seine Zunge taub und seine Zähne kratzten darüber.
Sein Atem roch nach Waffenöl und sein verschwitztes Gesicht sah
danach aus. Eine traurige Gestalt. Oder lächerlich. Wahrscheinlich
eher lächerlich. Zumal nach zwei Stunden in dieser Position. Der
Finger am Abzug hatte bereits mehrfach ungewollt gezuckt, weil seine
Position so verkrampft war. Aber es war nicht genug gewesen, um das
Schauspiel zu beenden. In diesen Augenblicken hatten sich Furcht und
Hoffnung plötzlich zu einem einzigen Gefühl vermischt. Fuffnung.
Beinahe hätte sie ihn übermannt. Dann war es wieder ruhig.
Nur sein Schnauben und Schluchzen untermalte die Szene. Nach einer Stunde
waren ein paar Eichhörnchen vorbeigekommen und hatten ihm zugesehen.
Während er noch überlegte, ob er sie vertreiben sollte, wurde
es ihnen aber zu langweilig und sie zogen ab. Sein Schluchzen wurde
danach für ein paar Minuten heftiger. Doch seine Kraft schwand.
Er würde die Pistole in dieser unbequemen Position nicht viel länger
halten können. Jetzt galt es. Er kniff seine geröteten Augen
zusammen und zog den Rotz hoch, der langsam über die Pistole lief.
Seine Abzugshand zitterte. Sein ganzer Körper zitterte. Dann zog
er den Abzug durch. Die Kugel schraubte sich durch den Lauf, seinen
Mund und schließlich seinen Kopf. Auf der anderen Seite seines
Schädels trat das Geschoss wieder aus und zog eine Spur aus Blut,
Knochen und Hirn mit sich. Er sank auf die Knie und kippte zur Seite.
Blut floss ihm aus Nase und Mund. Es kam in Schwallen so lange das Herz
noch pumpte und bedeckte das Herbstlaub um ihn herum.